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Die Filmfabrik: Gründung und Aufstieg der Geyer-Werke (1911-1928)

Geyer-Annonce. Zeichnung Walter Trier, wahrscheinlich 1920er Jahre. Es wird gezeigt, was ein Kopierwerk alles macht: Aufgaben, die in der Frühzeit die Filmproduktionsfirmen selbst übenommen hatten. Geyers Geschäftsidee war es, alle „unkünstlerischen“ Aufgaben aus dem Filmstudio in ein eigenes Geschäftsfeld auszulagern. So entstand das, was wir heute „Postproduktion“ nennen.

 Von Martin Koerber

 

 

„Zielbewußte Spezialisierung“

 

„Berlin SO 36. Zwei Autos jagen die Harzer Straße entlang, halten fast gleichzeitig, sehr ungeduldig schaukelnd, vor dem Fabriktore 39-42. Die Fahrer überstürzen sich beinahe, denn jeder will seine kostbare Last als erster abliefern. Was haben sie in ihren Rollen und Schachteln? Vorsichtig verpackt, gegen Licht eifersüchtig geschützt, ist Rohfilm in großen Rollen darin, um hier in der Kopieranstalt verarbeitet zu werden. Verarbeitet? Ja, durch sorgfältige und wunderbar präzise Arbeiten, Veredlungsprozesse, Bäder, Beizungen, Färbungen usw. zur theaterreifen Kopie verwandelt zu werden.“1

 

Als diese atemlos geschriebene Einleitung zu einem „Rundgang durch eine Kopieranstalt“ 1936 in der Zeitschrift „Lichtbildbühne“ erschien, waren die „wunderbar präzisen Arbeiten“ in den Geyer-Werken schon seit fünfundzwanzig Jahren im Gange. Am 15. Juli 1911 hatte Karl August Geyer gemeinsam mit Paul Tesch die Kino-Kopier-Gesellschaft m.b.H. mit einem Stammkapital von 20.000 Mark gegründet, deren Geschäftszweck „der Betrieb einer Fabrik für Herstellung von Kinofilms, speziell nach vorhandenen Negativen“2 sein sollte.

 

Die Einschränkung „speziell nach vorhandenen Negativen“ deutet an, was an dieser Geschäftsgründung neuartig war. Bisher war es üblich gewesen, dass die Filmfirmen (die sich daher oftmals auch stolz „Filmfabriken“ nannten) den gesamten Prozess der Filmherstellung in der Hand hielten und im eigenen Haus bewältigten. Sie betrieben die Ateliers, bauten oft selbst die für Filmaufnahmen und -bearbeitung nötigen Apparate, beschäftigten Autoren, Regisseure und Darsteller, sorgten für Entwicklung und Kopierung des belichteten Materials und kümmerten sich schließlich auch noch um Verleih oder Verkauf der fertigen „Films“.

 

 

Karl A. Geyer, frühe 1920er Jahre.

Karl A. Geyer hatte nach Ingenieurstudium und Tätigkeit bei Siemens und AEG seit 1906 als technischer Leiter der Deutschen Mutoskop- und Biograph-GmbH in Berlin-Lankwitz in einem solchen Betrieb gearbeitet. Am Film, der damals nicht unbedingt als geeignetes Betätigungsfeld für einen seriösen Ingenieur galt, reizten ihn die vielen unbewältigten technischen Probleme; die Arbeit im Atelier der Mutoskop ließen ihn jedoch zu der Überzeugung gelangen, „daß die Verquickung von theatermäßigem Filmbetrieb mit seinem ausgesprochen künstlerischen oder auch nur bohèmehaften Niveau dem streng industriellen und technischen Schaffen bei der Film- Fertigbearbeitung in höchstem Grade abträglich sei“3. Die Kino-Kopier- Gesellschaft gilt als die erste Filmfabrik in Deutschland, die sich ausschließlich damit befasste, „sämtliche Arbeiten, die an dem von den chemischen Fabriken gelieferten Rohfilm außer der fotografischen Aufnahme vorzunehmen sind, zu besorgen. Sie wollte ihren Kunden den aus den chemischen Fabriken kommenden Rohfilm so vorbereiten, daß er von den Operateuren ohne weiteres in den Aufnahmeapparat eingelegt werden konnte, den belichteten Negativfilm sachgemäß entwickeln und von dem Negativ wiederum fertige Positivfilme herstellen, die sofort an die Verleiher oder in die Theater gehen konnten“4.

Die Geyer-Werke, Harzer Str. 39 in Berlin-Neukölln (aus einer Werbeschrift). Die Firma (heute CineMedia) befindet sich noch heute an diesem Standort.
Die Rückseite des Geyer-Gebäudes nach einer ersten Erweiterung 1921. Der rauchende Schornstein bezeugt Prosperität: ein Inbegriff der (Film-)„Fabrik“ (im Gegensatz zum „Filmatelier“). Der ikonografische Bezug zu den Fabrikdarstellungen des 19. Jhs. ist nicht zu übersehen.

 

 

 

Erstes Domizil der Firma war die vierte Etage des Hauses Kaiser-Friedrich-Straße 219/220 in Rixdorf (heute Sonnenallee 61/63), wo auf 170 Quadratmetern die Arbeit aufgenommen wurde.

„Der Betrieb wurde eröffnet mit einer Perforier- und zwei Kopiermaschinen, einer Entwicklung für Negative oder Positive. Trockenraum mit zwei Trockentrommeln, mechanische Werkstatt, Titelabteilung, Sortiererei, Kleberei, Negativabzieherei, Expedition, Büro waren zusammen in einem Raum untergebracht.

Der Vorführungsraum, eine besondere Sehenswürdigkeit, befand sich in einem eineinhalb Meter breiten Durchgang. Die Projektionsfläche von etwa 1 x 1,5 Quadratmetern Größe war über der Tür angeordnet, während die Sitzgelegenheit gleichzeitig als Transformatorbehälter diente.“5

Gearbeitet wurde mit französischen Prevost-Kopiermaschinen, auch der Projektor war ein französisches Modell von Pathé frères aus Paris (die französischen Hersteller beherrschten zur damaligen Zeit den europäischen Markt fast vollständig).