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Agfa, Kullmann, Singer & Co und die frühe Filmmanufaktur

Die Filmproduktion in Treptow wurde von dem Dreck und Staub, den vorbeifahrende Lokomotiven aufwirbelten, beeinträchtigt. Die Zahl der Fabriken auf dem Wiesenufer war in den letzten Jahren des Jahrhunderts schnell gestiegen und

 

...der Verkehr auf der Görlitzer Bahn steigt von Jahr zu Jahr, jede vorbeifahrende Lokomotive hüllt die Plattenfabrik in einen dicken Qualm ein. Eine ungünstigere Lage für eine Trockenplattenfabrik ist wohl kaum denkbar...dass vor Allem an windstillen, staubfreien Tagen unser Fabrikat einwandfrei ist.[1]

 

Der Autor des Jahresberichtes empfiehlt, die Trockenplatten- und Rollfilm-Produktion in eine staubfreie Gegend zu verlegen. "...Zu letzterem fehlte uns bisher der Muth."[2]

 

Die jährlichen Verluste, die durch die Produktion von Kinefilm entstanden, stiegen von 21.267 Mark im Jahr 1901 auf 41.961 Mark im Jahr 1904; Anfang 1905 beschloss das Direktorium, die gesamte Produktion von Roll- und Kinefilm einzustellen.

 

Am 19. April 1905 erhielt Paul Singer den erbetenen Auftrag von AGFA. Er kehrte sofort nach Paris zurück. Am 4. Mai gab er die Identität der von ihm kontaktierten Gruppe in einem Brief an die photographische Abteilung preis:

 

Zunächst teile Ihnen mit dass die Act.Ges. Pathé frères ein Capital von 2.666.000 frs besitzt u. die 100 frs Actien momentan 255 frs gehandelt werden. Die fabrick beschäftigt sich in erster Linie mit dem Bau- u. Vertrib von Kinematographen u. Gramophonen u. dürften wohl heute mit die bedeutendste fª ihrer Branche sein. Sie braucht augenblicklich ca 3 Million Meter Kinematographenfilms p.a. u. bezieht fast ausschliesslich diesem Anteil von der Eastman Cy. Es ist nun folgendes in Aussicht genommen, u. ersuche ich im Interesse der Herren Pathé frères in jedem Falle um strengste Diskretion, da sonst, falls die Eastman Cy Kenntniss von der Absicht der Herren P.f. erhalten sollten, erstere durch Nichtlieferung des films letztere enorm schädigen könnte.

Falls Sie einem guten, brauchbaren Kinematographenfilms herstellen u. die fabrikation desselben, sowie von Roll-films, hier so einrichten u. leiten lassen, dass das hiessige Produkt dem dort von Ihnen ebenbürtig ist, so wird die Act.Ges. Pathé frères ein films-fabrik in der Weisse gründen, dass solche neben einer der ihrigen Fabriken, aber separat, eingerichtet wird, das Hauptkapital von ihnen gezeichnet wird u. sie selbst die Abnehmer der Fabrik sind. Hierfür offeriert man Ihnen, vorläufig natürl. noch nicht officiel, 15% der Anteile dieser Fabrik, d.h. 15% des Gewinns.[3]

 

Dr. Franz Oppenheim, AGFAs Geheimrat, und Carl Weidmann, Mitglied des Direktoriums, schickten Singer unverzüglich einen Gegenvorschlag:

 

Wir führen Ihren Freunden hier an Ort & Stelle die betreffende Fabrikation in allen ihren Einzelheiten vor, liefern die nötigen Zeichnungen, bestellen für ihre Rechnung die erforderlichen Apparate und lassen die Fabrikation durch unsere Techniker auf ihre Kosten dort in Gang bringen. Ferner liefern wir das Emulsionsrecept für den Positiv-Kinefilm, während Ihre Freunde betreffs Beschaffung der Emulsion für den Negativ-Film das Erforderliche selbst zu veranlassen haben würden.

Als Aequivalent bedingen wir eine alsbald zahlbare Barentschädigung von Frs. 100.000 neben der von Ihnen angebotenen Gewinnbeteiligung.

Unterbreiten Sie, bitte, diesen Vorschlag Ihren Freunden und lassen Sie uns Bescheid zukommen.[4]

 


[1]Ebenda.

[2]Ebenda.

[3]AW1084/04_MA105. Brief von P. Singer an die AGFA Photographische Abteilung.

[4]AW1084/06_MA105. Brief von Dr. Franz Oppenheim und Carl Weidmann an Kullmann, Singer & Co.